"Lust und Kunst"  Geschichten und Texte


Verzicht

Eine Winterlandschaft als Hintergrundbild.


Ein Weg durch Schmerz in die Lebendigkeit.

Es war ein harter Winter. Ein grandioser Sternenhimmel, ab und zu noch dazu mit einer Sternschnuppe verziert, wölbte sich majestätisch allnächtlich über uns. Eine Ahnung von der Unendlichkeit, von der Winzigkeit allen Seins.
Wochenlang fielen, für uns ungewohnt, durchgehend die Temperaturen bis unter 20 Grad Celsius. Selbst die Steine schienen zu schrumpfen. Die Pflanzen und die Saaten auf den Feldern litten unendlich, denn es fehlte eine schützende Schneedecke und am Tage trocknete die Sonne alles noch mehr aus, ohne den Boden auch nur im geringsten antauen zu können.

Eines Morgens staute sich dann das Wasser in der Toilette und floß nur ganz langsam ab. Noch floss es ab. Am nächsten Tag nicht mehr. Auch nicht aus dem Waschbecken, nicht aus der Badewanne nicht aus der Küchenspüle. Der Frost hatte ganze Arbeit geleistet.

Nun sind wir in der Zivilisation aufgewachsen und stehen plötzlich in der eigenen Scheiße, nur weil der Klimawandel gerade mal Urlaub macht und die Pole abtaut, statt unser Abwasserrohr!

Ach ja, eben - Zivilisation - "Gelbe Seiten" raus! Rohrservice.
- "Zur Zeit können wir leider keine weiteren Aufträge annehmen. Danke für ihren Anruf. Piep."
- "Nein tut mir leid, wir sind völlig ausgebucht!"
- "Der nächstmögliche Termin ist in vier Tagen - nachmittags."

SCHEISSE, - im wahrsten Sinne des Wortes!

Krasse Wut! Die Spitzhacke muß her!!! Das lasse ich mir nicht bieten! Diese Natur kriegt mich nicht unter! Und wenn ich das Rohr mit Zähnen und Krallen aus der Erde reißen muss!

Wir wohnten zwar in einer Mietwohnung, doch selbst ist der Mann!
Hier muß das Rohr verlaufen. Spitzhacke mit Schwung hoch, Kraft dahinter und Uaahhh!
- pat - sie war gerade 1,5 cm in den Boden eingedrungen, blieb nicht einmal stecken!
Mehr Wut! - pat - Ein Funke an einem festgefrorenen Kieselstein, doch es hätte eines Höllenfeuers bedurft um das aufzutauen!

Langsam wandelte sich meine heiße Wut in kalte Wut. Und ich bin zäh, besonders mit so einer kalten Wut! Stundenlang hackte ich Gramm für Gramm die Erde auf und fand tatsächlich das Rohr. Der Mensch in mir triumphierte über die Elemente!

Ich schnitt das Rohr auf. Bis oben hin gefrorene Scheiße. Raushacken, einen Gasstrahler darübersetzen. Mit einer Eisenstange vorarbeiten, den Badeofen angeheizt (Brikett-betrieben) - herein kam das Wasser ja noch! Den Halogenstrahler hingestellt, denn es wurde ja dunkel. Hämmern. Aus einer langen Eisenstange einen Bohrer konstruieren und mit der Bohrmaschine versuchen. Heißes Wasser nachgießen, weil es schon wieder zu gefrieren drohte. Stundenlange Plackerei! Ergebnis: NIX. Von der Natur besiegt!

Auf diese Aktion hätte ich besser verzichtet!

Ich ließ alles liegen. Ausgepumpt, fertig, schlich ich die Treppe hinauf und - nach ein paar Stufen zerriss mich ein Wahnsinnsschmerz!





Es zerriss mir das Kreuz, machte meine Knie butterweich, meine Beine unkontrollierbar, und ich sackte zusammen. So blitzartig wie dieser Schmerz kam, kamen auch Bilder: Mein Vater, der in der offenen Autotür hing, ein Bein innen eines außen und nur schrie, meine Mutter, die tagelang nur auf dem Boden lag, von rasenden Schmerzen geplagt. Ich wußte es: Bandscheibenvorfall.

Nach einer grausamen Nacht meinte der Arzt: Operieren. DAVON hatte mein Vater so plastisch berichtet, daß ich sofort den Gedanken daran verdrängte und beschloss, auf diese Erfahrung zu verzichten.

Ich hatte von tollen Ergebnissen chiropraktischer Anwendungen gehört und mit Akupunktur schon mal eine super Erfahrung gemacht - also dachte ich das zu kombinieren. Doppelt gemoppelt hält besser! Welch ein Zufall! Der operationswillige Arzt hat beides im Angebot! Doch irgendwie guckt er skeptisch.

Also dann machen sie mal so... und lassen sie mal hier locker und... "Knax, Kracks" macht es und dann noch einmal, und mir ist wirklich leichter.
Akupunktur obendrauf? Na klaar!

Die kannte ich allerdings etwas anders als ich sie nun erlebte.

Da hat hier doch ein genialer Mensch offenbar eine Art Zirkel entwickelt. Darauf sind viele Markierungen. Mit dem Teil wurde meine Faust abgemessen... Dann das Ding auf meinem Rücken plaziert und...
zack,
zack,
zack,
zack,
zack,
zack,
zack,
hatte ich blitzartig einige Nadeln im Fleisch, bis auf meinen "Allerwertesten" hinunter. Und schon verabschiedete sich Herr Doktor und begab sich zum nächsten hilfebedürftigen Patienten.
Die freundliche ältere Arzthelferin vom Typ "Na-denn-woll´n-wir-mal" war so nett, mir eine Decke über meinen frierenden, geschundenen Rücken zu werfen. Direkt auf die Nadeln! Na das zimmerte vielleicht! Aber was mich nicht umbringt macht mich härter! Für einen Mann ja vielleicht nicht ganz verkehrt.

Als ich mich gerade so in den Schmerz hineinmeditiert hatte, zog sie die Decke herunter - autsch! - (doch noch Weichei!) zupfte, autsch, autsch, autsch... die Nadeln heraus und ich "hatte fertig".
Tatsächlich konnte ich aufstehen und mir - mühsam zwar - doch tatsächlich selbst! die Hose hochziehen!
Autsch!!!
" Ach, da ist ja noch eine!" rief sie begeistert. Zipp - autsch, hoffentlich wirklich die letzte! Es schien so.

In den nächsten drei bis vier Wochen gönnte ich mir zehn dieser anregenden Behandlungen und lernte dabei eine schönere Variante kennen. Manchmal hatte ich das Glück die junge Kollegin der "Na-denn-woll´n-wir-mal" Arzthelferin zu erleben. Diese legte sorgsam dicke Kissen auf meinen Rücken und ließ die Decke langsam und ohne Nadelberührung darüberschweben. Beim Herauszupfen der Nadeln bekam ich das Gefühl, als täte ihr selbst jede weh. Das half mir wirklich. Besonders heilsam aber waren die Blicke die sie mir schenkte.

Zwischendurch wälzte ich mich spontan am Boden, wo immer ich mich auch gerade befand, lief mit einer knallheißen Wärmeflasche im Hosenbund herum, bis meine Lenden von jedem Steakliebhaber wegen "durch" verachtet worden wären, schlief auf dem nackten Fußboden und probierte geheimnisvolle Zaubersprüche, die mehr Wirkung auf meine Arbeit hatten, als auf meine Bandscheibe. Da ich selbstständig war, nützte mir meine Krankschreibung rein gar nichts. Meine Arbeitskraft war unverzichtbar.

Das super Ergebnis: Nach Abschluß dieser Behandlungen konnte ich mir wirklich - mühsam zwar - doch tatsächlich selbst! die Hose hochziehen!




Das konnte ich etwa eine Woche lang. Dann lag ich (Schande über mich Weichei!) wimmernd in meinem Büro am Boden und brauchte für die zweimetersechzig zum Telefon wirklich knapp fünfundvierzig Minuten!
Wie ein Gepäckstück lag ich irgendwann am Boden unseres T4, jaulte bei jedem Holperer, während meine Frau mich in eine weiter entfernte Stadt zu einem anerkannten Sportarzt transportierte. Holperer gab es viele!, denn die Straße im Osten waren ja noch lange nicht vollständig mit Westgeld gebügelt.

Irgendwie kam ich in die Praxis...

Der Arzt schaute, tastete, und nach wenigen Augenblicken schon hatte er die Lösung meines Problems: "Operieren, möglichst sofort."
Na, das hatten wir doch schon mal?! Und wenn ich auf das Angebot verzichte...???

"Jaaa, daann... wenn wir regelmäßig spritzen (Mein Kommentar im Stillen: Ach du Kacke! Dann lieber weiter die Decke auf die Nadeln!), sie nicht mehr heben, nur noch so (Demo) ins/aus dem Auto steigen, einen Kammerdiener zum An- und Ausziehen engagieren (Stille Frage, darf es wohl auch eine Kammerdienerin sein?), auf längeres Stehen, Sitzen und Liegen, Alkoholgenuß und vor allem Sex! (Bandscheibe der Lendenwirbelsäule!) verzichten, - jaaa, daann, können Sie damit alt werden.

Alt??? Werden??? Damit??? - Also, ich fühlte mich zwar gerade sehr alt, doch an Jahren war ich noch jung! Und "damit" sollte ich bis zu meinem seeligen Ende herumkrebsen? Nie mehr unbeschwert in einen T4 klettern können? - auf die anderen Kleinigkeiten könnte ich ja noch verzichten... Trotzdem, - Operation: NO, never, niemals nicht!

"Ja, dann kann ich ihnen nicht helfen." Wenigstens ehrlich war der Mann.




Als ich wieder mal - eher kurz natürlich - (zu irgendwas waren die Tipps schließlich nütze) am Boden lag, ließ meine Frau mir eine Eso(terik)-Zeitschrift auf den Bauch fallen. Als ich darin blätterte fiel mir die Anzeige eines Heilpraktikers in einer weiter weg gelegenen Großstadt auf. "TCM - Traditionelle Chinesische Medizin" stand dort angeboten. Irgendwie sehnte ich mich gerade nach einem Gegenschmerz und beschloss, die Sache, - Decke-über-die-Nadeln hin - keinen Sex her (gebe ja zu, das Argument zog doch ein wenig), also auszuprobieren.

Mannhaft überstand ich, nachdem ich unbeholfen und stöhnend in den T4 geklettert war, den Transport (mit 110 Grad Celsius heißer Wärmeflasche, doch immerhin sitzend und nach Vorschrift angegurtet!).





Bei dem freundlichen Heilpraktiker angekommen, stellte ich fest: Der Mann war eine Plaudertasche! Dazu neugieriger als jedes Weib! Was der alles wissen wollte, obwohl die Diagnose doch eindeutig schon lange feststand!
" Wie geht es denn so in ihrem Beruf?"
Man soll ja freundlich sein, vor allem wenn das Gegenüber einem später eine Decke über die Nadeln schmeißen kann!
Also lamentierte ich ihm ausgiebig meine elende berufliche Situation herunter. Was sollten ihm diese Infos denn bringen? Ich beschloß, durch etwas forciertes Stöhnen die Aufmerksamkeit auf den Grund meines Besuches zu lenken. Außerdem hatte die Wärmflasche nur noch 92,7 Grad Celsius und fühlte sich daher völlig eiskalt an, was meinem Rücken gar nicht gut tat!

Doch es kam schlimmer! Er erwies sich als völlig ignorant, selbst als ich vom Stöhnen in mittelstarke Schmerzensschreie überging.

"Wie geht es denn so in der Familie?", fragte er, während er ein poliertes Pflaumenholzhämmerchen streichelte!

Pflaumenholzhämmerchen? Was das ist, - was man damit macht?
Also: Es ist zwar kleiner als der bekannte Fleischklopfer, hat dafür aber eine nadelgespickte Fläche, wo der Fleischklopfer nur so eine Riffelung hat! Die Anwendungstechnik ist die gleiche wie beim Fleischklopfer, nur - dem Schnitzel tut das Klopfen nicht mehr weh!!!
Ich beschloß spontan, auf jede Schmerzäußerung zu verzichten und mir alle zur Verfügung stehenden Schmerzensschreie für später aufzusparen!
- Zumal es über meine familiäre Situation nicht viel zu berichten gab. War ja alles in Ordnung, und über Positives ist stets wenig zu sagen (Bei ausschließlich positiven Meldungen passte eine Tageszeitung bequem auf ein A4-Blatt).

Gut. Nach zwei Stunden erlahmte sogar seine Wissbegier langsam. Ich hatte viel zu lange gesessen, dazu die nur 80 Grad Celsius kalte Wärmeflasche im Rücken. Mir ging es echt Scheiße!

"Dann machen wir nun noch ein wenig Shiatsu für den Anfang. Bitte mal hier hinstellen."

Irgendwie brachte mich die Erleichterung, dass das Pflaumenholzhämmerchen gerade kein ernstes Thema schien, auf die Beine! Ich mußte mein Hemd ausziehen und er ergriff meinen Unterarm.

Ey Mann, ich hab´s an der Bandscheibe! L4-L5 wenn Dir das was sagt! Bandscheiben sind am Rücken versteckt! Rücken ist immer hinten! Unterarm hat nur Elle und Speiche - weiß ich zuverlässig aus´m Bio-Unterricht!
Auf die Verbalisierung verzichtete ich natürlich lieber und dachte es vorsichtshalber nur - wegen des Pflaumenholzhämmerchens, zwei Decken gleichzeitig über die Nadeln, und so weiter... Der Erfindergeist des Menschen ist da nicht erst seit den Folterkellern der Inquisition sehr rege!

So bohrte er nur seine Finger immer tiefer in meinen armen Unterarm und befahl knapp: "Hüftkreisen!"

Wie bitte? Ey, die Bandscheibe hängt raus! Das kann doch nicht wahr sein!!! Hüftkreisen? Noch bei Trost Mann?
- Pflaumenholzhämmerchen!
Also Eberhard, schön ruhig bleiben. Tu wenigstens so als ob!

Poohh, wat is datdenn? Dat geht ja! Der bohrt mehr und schüttelt jetzt auch noch dabei. "Mehr kreisen!" sachta. Geht auch - sogar ohne Gedanken an Folterwerkzeug!
Und dann wäre ich mit dem Schwung garantiert Hula-Meister auf Fidschi geworden! Der Unterarm sah zwar etwas malträtiert aus, doch was heißt das, wenn man gerade eine satte Blumengirlande verliehen bekam! Nach gut sechs Wochen voller Leiden Hula tanzen! Irre!

Selbstverständlich buchte ich sofort Anschlußtermine.

"Ich gebe so gerne Hausaufgaben.", sagte er als wir uns freundschaftlich die Hände zum Abschied schüttelten.
Naja, dachte ich, in Anbetracht der Tatsache würde ich sogar meinen inneren Schweinehund schlachten und Gymnastik machen!
" Ja...?" sagte ich, auf die Anleitung wartend.

"Zum Termin nächste Woche werden sie sich darüber klar: Womit bezahlen sie ihre Ehe?"



Kotz! Was soll das denn heißen! Was ist das denn für eine Schiene?! Und ich dachte gerade an Freundschaft! Was heißt hier: Ehe bezahlen?! Was geht dich meine Ehe überhaupt an?! Die ist in Ordnung! Und wenn mein Rücken so bleibt wie jetzt werden wir sogar wieder Sex haben! Dafür bin ich dir durchaus dankbar, aber bezahlen tue ich dich für deine Leistung und nicht meine Ehe!
Während diese Gedanken blitzartig durch mich schossen, und meine Lungen das nötige Luftquantum zum Verbalisieren einsaugten, machte er eine Geste, die die Luft herauspfeifen ließ ohne ein Wort erzeugt zu haben!
Scheißkerl!, dachte ich wenigstens noch!


Ich kochte so sehr, dass sich sogar die Wärmeflasche wieder auf die nötigen 110 Grad Celsius aufheizte! Irgendwie ist doch alles zu was nütze! Ich merkte auch nicht, dass ich völlig unvorschriftsmäßig in den T4 gesprungen war. Wenn es wahr wäre, dass Gedanken direkt etwas bei anderen bewirken können, hätte er dringend selbst einen Heilpraktiker mit Folterkeller gebraucht!


Drei Tage kochte ich vor mich hin.

Aber damals war ich noch brav, und wegen nicht erledigter Hausaufgaben hatte ich schon so viel Prügel im Leben eingesteckt! (Pflaumenholzhämmerchen!)

Wie macht man Hausaufgaben? Üblicherweise schriftlich. Gut, da stand der neue Computer und da konnte ich zeitgemäß tippen.

"Hausaufgabe zum ....

Frage: Womit bezahlen sie ihre Ehe?"

Halt! Erst mal den Duden raus. Was heißt überhaupt "bezahlen"? Kann ja sein, dass sich das Thema damit sofort erledigt hat! ...

Nee, hilft doch nix. Schweinkram!

Also....

Ich schrieb, und mir ging es gefühlsmäßig besser und besser! Es war wie das Hüftkreisen! Super!
Nach zwanzig Minuten scrollte ich hoch und las nach. Wie bitte? Da stand es schwarz auf weißem Bildschirm und war sogar schon gespeichert! Ich mußte nun einfach ehrlich sein!
Nach eineinhalb Sätzen war ich vom Thema weg, stellte Fragen, ohne sie zu beantworten, konstruierte irgendwelche Theorien...

Also löschen und wieder schreiben. Es ging mir richtig gut! Lesen... Mist! Genau das gleiche Spiel!
Ich kapierte! Immer wenn es mir gutging schrieb ich Mist!

Und dann waren wirklich sieben Stunden um! Sieben Stunden schrieb ich, las ich, löschte ich, schrieb ich...
Kein Essen, kein Trinken, kein Telefon, kein Mitarbeiter, kein Pinkeln-gehen...

Nach sieben Stunden harter Arbeit nur vier Sätze auf dem Bildschirm!
Und mir ging auf, daß man sie wie beim Kürzen in der Mathematik auf ein Wort reduzieren konnte:

VERZICHT

schrieb ich mit fetten Lettern darunter!




Er, der Heilpraktiker, fragte mich nie nach der Hausaufgabe!, doch in den nächsten drei Wochen war seine ganze Heilkunst vergebens. Mir ging es so was von Elend!
Alles was ich mir vorstellen konnte war, wie meine Ehe zerbricht, meine Kinder mich anspucken, meine Karriere aus ist, meine Freunde das Weite suchen und ich letztendlich als Penner mein Leben beenden würde! Wenn ich aufhörte zu verzichten!

Wenn nicht, das war mir nun auch klar, würde ich gesundheitlich leiden ohne Ende. Meine Ehe wäre zumindest stark belastet worden, mein Beruf hätte mir den Rest gegeben! Ein ähnliches Ergebnis...

Das waren tatsächlich meine Gedankengänge und Gefühle.

Dann raffte ich alles zusammen, was ich an Mut in den schlammigen Tiefen meines Selbst noch finden konnte und sagte zu meiner Frau mit zaghafter Stimme: "Ich möchte gern ein Männerseminar besuchen."
" Wenn dir das guttut, mach es doch.", kam die Antwort!
Zack! Es durchfuhr mich wie ein Blitz. Wieviel Verzicht hatte ich wohl in einem "vorauseilenden Gehorsam" geleistet, den niemand je von mir verlangte???
Mir war ganz schwindelig!

Langsam aber sicher hörte ich ab damals auf zu verzichten - auf was auch immer! Das Männerseminar war dafür als Start außerordentlich hilfreich! Auf der Fahrt zum Seminarort, der hinter München lag, brauchte ich noch fast jeden Parkplatz um mich am Boden (respektive im Kofferraum des Kombis) zu wälzen und meine Bandscheibe wieder einzurücken. Nach der Woche konnte ich auf dem Rückweg mit nur drei Pausen durchfahren!

In der ersten Zeit spielte meine Umwelt ja noch schön mit, doch dann hörte ich bei Dingen auf zu verzichten, die eindeutig gewohnte Grenzen erschütterten. Mein Körper signalisierte mir dabei zuverlässig "wo es langging". Sobald ich dem Widerstand meiner Umwelt nachgab und mich wieder wie früher verleugnete, meldete sich sehr schnell meine Bandscheibe!



Aus meiner heutigen Sicht betrachtet, "musste" ich diese ganze Tortour nur erleben, um mich selbst ein (gutes und wichtiges!) Stück zu finden und zu entwickeln. Ich staune über das Spiel des Lebens, sehe einen tieferen Sinn in den Begebenheiten und den Begegnungen mit Menschen, bin dankbar für das, was ich vom und im Leben lernen darf. Durch die Lösung dieser Hausaufgabe nahm meine Lebendigkeit und Lebensfreude immer mehr zu. Mein Rücken "funktioniert" heute ohne eine Operation wirklich gut, abgesehen von kleinen Erinnerungen die er mir manchmal liefert. Solange ich mir selbst treu bin und mich selbst achte, so erfahre ich es immer wieder, kann ich sehr gut "damit" leben - und gerne auch "alt" werden!

 

Eberhard Axel Grote

1996

 

 

 

Seitenanfang     Zurück zur Auswahl