"Lust und Kunst"  Gedichte

Hintergrundbild Spinnweben


Für Dagmar                  

Die Zecke beißt,
die Spinne sticht.
Ich weiß, - du fürchtest beide - nicht?

Doch weißt du, wie es geht den Spinnen
und den Zecken - ganz tief drinnen?

Stell dir vor, du wärst ´ne Zecke,
sitzt seit Jahren in der Hecke.
Hast seit Jahren nichts zu essen,
scheinst vom Leben voll vergessen.
Niemand kommt dich je besuchen,
(zum Geburtstag keinen Kuchen!).
Und dein Magen voller Groll
wünscht sich, er wär´ mit Futter voll!

- Ja, wär´n sie groß wie du - die Zecken -
würd´ das Grollen Tote wecken!

Nun kommt ein Mensch um eine Ecke,
stolpert, fängt sich an der Hecke.
Wär´ Dir auch ein Hase lieber,
oder aber Katz´ und Biber,
das Leben scheint dich doch zu seh´n,
- Gott sei dank, er bleibt noch steh´n -.

Auf geht´s nun - das Herz gefaßt,
er hat die Hand an deinem Ast.
Ist sie auch riesig, ungeheuer,
dein ei´gnes Leben ist dir teuer!
Und mögen deine Ängste wallen,
du läßt los - und läßt dich fallen.

Nun muß du neue Wege wandern,
von einem Körperteil zum andern.
Gefahren gibt es massenweise,
- es ist wie auf der Lebensreise.
Du könntest dich im Hemd verlaufen,
oder auch im Schweiß ersaufen,
wirst vielleicht zu heiß gebadet,
(was dem Denkvermögen schadet!)

Du raffst allen Mut zusammen,
entdeckst hier Beulen und da Schrammen,
dort sind nur Haut und harte Knochen,
so´n "Duft" hast du noch nie gerochen!
Und langsam wird dir offenbar,
das ist kein schönes Exemplar!

Allerdings lernst du nun doch,
Hunger ist der beste Koch.
Bohrst Dich durch die zähe Haut,
(fragst dich - krieg ich das verdaut?),
doch immer folgt der Mühe Lohn,
du stellst fest: ich wachse schon!

Plötzlich wird es um dich hell,
du hörst: "IIIIHHHH, ´ne Zecke! Schnell!
Gib mir rasch mal die Pinzette,
daß mein letztes Blut ich rette!
Mein Gott, die ist wirklich häßlich!
Dick und fett und auch noch bläßlich!"

(Doch du kannst es ja auch nicht loben,
dies´ Exemplar hier - siehe oben.)

Und es durchfährt dich wie ein Feuer,
denn dein Leben ist dir teuer!
Kriegst viel zu langsam Deinen Rüssel
aus der großen Suppenschüssel,
hörst schon die Pinzette klicken,
schaust herum mit irren Blicken,
deine Angst ist riesengroß
- du läßt dich fallen, du läßt los -.
Fällst, voran die Rüsselspitze,
tief in eine Fliesenritze,
trachtest nur noch zu verschwinden,
und hier wern´se dich nicht finden!

Man soll nicht über´s Schicksal lästern,
denn geputzt wurd´ hier schon gestern.
Sicher so vor Wasserschwällen
überwogen dich die Wellen,
glücklich bist du tief im Herzen
jubelst in verschied´nen Terzen.

Liegst Du gerad´ auch etwas schräg,
weiter geht Dein Lebensweg!

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Konnte ich dein Herz erwecken,
wie es geht den armen Zecken?

Und nun forschen wir im Sinne:
Wie ging´s dir, wärst du ´ne Spinne?

Spinnen sitzen oft - wie Zecken -
lange Zeit in (Rosen-) Hecken.

Du sitzt also ganz im Stillen,
ausgesetzt dem Schicksalswillen.
Dieser hat dir aufgegeben,
klaglos hier dein Kreuz zu leben.

Jede Nacht beginnst du fleißig,
zu spinnen bis um fünf Uhr dreißig.
Knüpfst ein Netz mit Meisterkunst
und erhoffest dir die Gunst,
daß dann eine fette Fliege
nicht so recht die Kurve kriege
um sich ohne viel zu zicken,
in dem Netze zu verstricken.
Ebenso tät´s dich entzücken,
wären es so - drei, vier Mücken.
Allerdings wär´ es sehr schwer,
wenn es eine Wespe wär´.
Doch manchmal wünscht du dich nur weg,
denn das, was anklebt, ist oft Dreck.

Und wieder mal beginnst du fleißig,
zu spinnen bis um fünf Uhr dreißig.

Das ist ja noch normales Leben,
- doch oftmals gibt es Heckenbeben.
Da sind Jung´s mit ihren Bällen,
und dich erschüttern Schauderwellen,
denn oft verpfuschen sie ´ne Ecke
und ballern in die Rosenhecke.
Statt in dem großen Netz zu liegen,
kracht, daß sich die Zweige biegen,
so ein Ball an deine Stirn
und erschüttert dir´s Gehirn.

Doch trotz Kopfschmerz spinnst du fleißig,
ein neues Netz bis fünf Uhr dreißig.

Wenn sich im Netz der Tau dann sammelt,
versuchst, - verriegelt und verrammelt -,
du unter einem Blatt geborgen,
mal zu vergessen deine Sorgen.
Die Sonn´ geht auf und Strahlenspitzen,
lassen den Tau wie Perlen blitzen.
Da kommen Menschen und sie sehen
und bleiben vor Erstaunen stehen.
"Oh, schöööön!", rufen sie voll Entzücken,
doch wehe wenn sie dich erblicken!
"Igitt! ´Ne Spinne, nein wie häßlich!
Es scheint uns gerade unerläßlich,
daß wir die Hecke gründlich fegen!"

- Du brauchst dich nicht zurückzulegen,
denn besser ist es, möglichst schnelle,
zu suchen dir ´ne neue Stelle.
Vielleicht in einer Buchenhecke;
du wirst beim Suchen manche Strecke
voll Abenteuern wohl erleben
und manchmal lernen abzuheben.

Wenn du entdeckt hast dann die Hecke,
dekorierst du deine Ecke
mit der von dir gefund´nen Liebe
und heftest an die jungen Triebe
in nächtelanger Arbeit fleißig,
ein neues Netz - bis fünf Uhr dreißig.

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Das Spinnen ging als Handwerk baden,
doch spinn ich weiter meinen Faden,
der mit dem Leben mich verbindet
und auch sich um dein Herz hier windet.
Ich hoffe, daß in diesem Sinne,
- ob kleine oder große Spinne -
wir alle können fröhlich leben.
Und sollt´ mal Deine Hecke beben;
ich helf´ dir gern mit Tat und Rat.

Mit Herzensgrüßen

Eberhard


25.04.2009

E. A. Grote